Auf etlichen Websites, in den Social Media und in unzähligen Frauenmagazinen wird immer und immer wieder vor den "Schlacken" im menschlichen Körper gewarnt. Natürlich werden im gleichen Atemzug die passenden Säftchen und Pillen verkauft (perfektes Framing 😉).
Was sind Schlacken?
Rückstände aus Verbrennungsanlagen werden als Schlacken bezeichnet. Beispiele dafür Abfallverbrennungsanlagen und die Hochöfen in der Stahlindustrie. Aus der Bezeichnung eines realen Produkts entwickelte in den 1930er Jahren der Arzt Otto Buchinger die Idee, im Darm des Menschen würden sich ebenfalls Schlacken absetzen. Seit dem stellen viele Menschen vor, sie hätten schwarze, dicke Belege an den Darmwänden haften.
Die meisten Ärzte und Wissenschaftler vertreten den Standpunkt der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE):
"In einem gesunden menschlichen Körper gibt es keine Ansammlung von Schlacken und Ablagerung von Stoffwechselprodukten. Nicht verwertbare Stoffe werden über den Darm und die Nieren ausgeschieden."
Ja, unser Organismus scheidet nicht verdauliche bzw. nicht brauchbare Stoffe aus - diese landen dann als Kot und Urin im Klo. Grundsätzlich ist dieses Statement also erst mal richtig. Unsere Körper verfügen über Funktionen zur Selbstreinigung. Als wichtigstes Organ in diesem Prozess ist die Leber zu nennen. Im Artikel "Detox geht über die Leber" kannst du mehr über dieses faszinierende Organ und was du ihr gutes tun kannst erfahren.
"Entschlacken" auf mikroskopischer Ebene
Autophagie ist der Fachausdruck für das Selbstreparaturprogramm in den menschlichen Zellen. Unsere Zellen verarbeitet ständig Nährstoffe, Sauerstoff, teilen sich und erfüllen spezifische Aufgaben. Dabei kann die Zelle alte Zellbestandteile isolieren und recyclen. Das passiert zum Beispiel, wenn die Zelle unter Stress steht oder Nährstoffe knapp sind und sie aus den „Abfällen“ noch mal Energie ziehen will (oder muss). Dieses natürliche Programm der Autophagie wird zum Beispiel durch das Fasten unterstützt, denn beim Fasten wird der Nährstoff-Nachschub gezielt begrenzt. Der Körper will aber überleben und wird daher die benötigte Energie aus Zellbestandteilen, die er nicht mehr braucht -also dem "Zellschrott"- beziehen. So reinigen sich alle Zellen immer und immer wieder auf ganz natürliche Weise.
Die berühmten Schlacken im Darm
Der Darm bildet mit rund 80 % den größten Teil unseres Immunsystems. Sogar Hormone werden dort gebildet – z.B. findet 95 % der Produktion des Glückshormons Serotonin im Darm statt. (Falls du mehr darüber erfahren möchtest, besuche gern unser Webinar "Mikrobiom – Gesundheit fängt im Darm an".)
Der große Mythos von Schlacken im Darm hält sich hartnäckig. Es wird von Plaque und schwarzer, gummiartiger Masse gesprochen. Lasst uns auch dieses Märchen entmystifizieren. Zwei Symptome, die den Darm betreffen, könnten als "Schlacken" missverstanden werden:

Und was ist mit.....?
Schlachen auf der Zunge
Ein gesunder Mensch hat eine rosarote, feuchte, glänzende Zunge mit dünnem weißlichen Belag. Dieser besteht aus einer Ansammlung von Speiseresten, abgestorbenen Zellen, körpereigenen Schleim und verschiedenen Keimen. Die Zunge kann Hinweise auf den Gesundheitszustand eines Menschen geben:
Dicke, weiße Belege sind meist während einer Erkältung oder Grippe zu sehen.
Ein gelblicher Belag kann auf eine Candida-Infektion (Pilz) oder Gastritis (Entzündung der Magenschleimhaut) hinweisen. Auch Entzündungen im Mundraum, Parodontose oder Zahnfleischentzündung können gelbe Beläge verursachen. In seltenen Fälle kann auch eine Erkrankung der Leber oder Galle der Auslöser sein. Letzteres wird jedoch von gelblichen Verfärbungen Auges begleitet.
Bei der sogenannten Himbeerzunge ist die Zunge sehr rot und leicht angeschwollen. Infektionskrankheiten wie z.B. Scharlach, Entzündungen oder Vitaminmangel sind mögliche Auslöser. In jedem Fall solltest du einen Arzt aufsuchen.
Ist die Zunge gräulich verfärbt, liegt vermutlich ein Eisenmangel vor.
Bräunliche Belege entstehen meist durch Nikotin und Alkohol, aber auch Darm- oder Nierenerkrankung können diesen Zungenbelag verursachen.
Als schwarze Haarzunge werden schwarz belegte Zungen bezeichnet. Ganz konkret verhornen die Papillen der Zunge. Das dort befindliche Keratin (ein Protein) wird durch Pigmente in der Nahrung oder Bakterien zersetzt. So entsteht die schwarze Verfärbung. Zigaretten, Antibiotika, Chlorhexidin und ein Niacinmangel sind weitere mögliche Auslöser.
Zungenbeläge als "Schlacken" zu bezeichnen, ist also nicht richtig. Dennoch kann der Zustand der Zunge viele brauchbare Informationen über deinen Organismus liefern. Im Ayurveda ist die Zungendiagnose (Jihwa Pariksha) ein wichtiger Bestandteil der Anamnese (mehr dazu in einem separaten Artikel).
Tipp #1: Die ayurvedische Morgenroutine beinhaltet unter anderem das Schaben der Zunge, um diese von den keimbelasteten Belägen zu befreien. Danach folgt das Ölziehen, um die Schleimhäute zu pflegen.
Tipp #2: Statt aggressive Mundwasser zu verwenden, probiere aus, mit Salbeitee zu gurgeln.
Solltest du abnorme Belege auf deiner Zunge entdecken, wende dich bitte an einen Arzt, um mögliche Krankheiten rechtzeitig zu erkennen.
Schlacken auf der Lunge
Gelegentlich wird auch über Schlacken auf der Lunge gesprochen. Vorrangig wird hier einer Verschleimung durch den Konsum von Milchprodukten die Schuld an den mysteriösen Schlacken gegeben. Tatsächlich kann ein Abbauprodukt der Milch, namentlich Beta-Casomorphin-7, die Drüsen im Darm dazu anregen, vermehrt Schleim zu produzieren. Jedoch gibt es keinerlei Nachweise, dass dieser Schleim vom Darm in die Lunge gelangen würde.
Ablagerungen auf der Lunge entstehen durch das Rauchen von Zigaretten, Kiffen oder hohe Staubbelastungen. Auch eine Verkalkung der Lunge durch Pleuraentzündungen oder Asbestexposition finden statt. Nichts davon kann als "Schlacken" bezeichnet werden.
Pflaster, die man sich unter die Fußsohlen klebt
Im Handel werden Pflastern angeboten, die an der Fußsohle befestigt werden und dort angeblich Schlacken und Giftstoffe herausziehen. Geniale Marketingidee, die den Verkäufern ein gutes Einkommen bescherte.
Der Schweiß der Füße reagieren mit dem Pulver in den Pflastern. Zum Beispiel wird Baumessig verarbeitet. Die Substanzen reagieren mit Sauerstoff (Oxidation) und zack, schon verfärbt sich das im Pflaster enthaltene Puder braun. Das ist alles.
Die Füße gehören einfach nicht zu unseren Entgiftungsorganen.
Kein Detox, keine Giftstoffausleitung. Einfach nur ein billiger Trick.
Fazit
Schwarze, klebrige Schlacken im menschlichen Körper dürfen dem Bereich der Mythen zugeordnet werden. Trotzdem wirken sich langfristige, ungünstige Ernährungsweisen negativ auf den Organismus aus. Ayurvedisches, sanftes Fasten oder andere sinnvolle Detox-Programme können ein guter Start in einen neuen, gesünderen Lebensabschnitt sein.