In einer unserer Social Media Gruppen befinden sich zahlreiche Krebspatienten und Angehörige solcher. Manche behandeln ihre Krankheit rein "alternativ", andere kombinieren die "klassische" Behandlung (Chemo-Bestrahlung-Operation) mit komplementären Verfahren. Selbstredend taucht dabei auch die Frage nach der Chemotherapie auf. Von manchen als Lebensretter gelobt, von anderen als tödlicher Giftcocktail der Big Pharma verteufelt. Aussagen wie "Chemo ist Senfgas, im Englischen auch LOST genannt. Damit haben sich die Soldaten im Ersten Weltkrieg umgebracht." sind keine Seltenheit. Solche Halbwahrheiten spiegeln vor allem die Angst der Betroffenen wider. Traurigerweise muss ich sagen, dass es mich nicht wundert, dass immer mehr Menschen den Ärzten misstrauen. Immer wieder beklagen Krebspatienten, sie würden nur unzureichend über die Folgen der Chemotherapie von den Ärzten informiert werden. Transparenz ist erforderlich!
"Chemo ist Senfgas"
Die Ursprünge der Chemotherapie haben tatsächlich chemischen Kampfstoffen zu tun. Louis Goodman und Alfred Gilman, zwei amerikanische Pharmakologen von der Universität Yale, erforschten in einem Geheimprojekt die gefürchtete Massenvernichtungswaffe namens 2,2'-Dichlordiethylsulfid ("Senfgas" oder auch "Schwefellost"). Schon im Ersten Weltkrieg wurde seitens der Deutschen der auch als "Lost" bezeichneten Kampfstoff eingesetzt. Die Furcht, dies könne sich unter Hitler wiederholen, war groß. Lost verätzt die Haut, schädigt Augen, Gefäße, den Verdauungstrakt sowie die Schleimhäute und Lunge.
Im Tierversuch stellten die Pharmakologen fest, dass die Versuchstiere, welche dem Giftstoff ausgesetzt waren, Veränderungen der Leukozyten (weiße Blutkörperchen) aufwiesen. Diese bahnbrechende Entdeckung bedeutete Hoffnung für Krebspatienten. Bis dato gab es nur die Möglichkeit, Krebs zu bestrahlen oder zu operieren. Fast immer kam die Schreckensdiagnose Krebs einem Todesurteil gleich.
Eine weitere, klassische Krebsbehandlung ist die Strahlentherapie. Hierbei werden die Krebszellen mithilfe ionisierender Strahlung oder Teilchenstrahlung zerstört. Auch die Behauptung: "Bestrahlung verbrennt den Tumor." ist nicht korrekt. Durch die Bestrahlung wird die DNA der Tumorzellen so sehr beschädigt, dass sich die Zellen nicht mehr teilen (vermehren) können. Verbrennungen sind eine mögliche Nebenwirkung, aber nicht das Wirkprinzip dieser Behandlung.
Am Anfang einer Krebserkrankung ist die Anzahl Leukozyten oft stark erhöht, daher sahen die Forscher in der Wirkung des Senfgases eine Chance zur Behandlung von Krebs. Tatsächlich wurde im August 1942 der erste Mensch mit der "Chemotherapie" behandelt - er lebte zwar nur noch wenige Monate, aber sein Tumor schrumpfte! Nach dem Krieg wurde der weniger giftige Stickstoff-Lost (Chlorethamin) entwickelt und als erstes Zytostatikum namens Chlormethin in der Medizin gezielt eingesetzt. Auch heute noch wird Chlormethin zur Behandlung von Krebs, z.B. Mycosis fungoide, verwendet.
Also doch alles Senfgas?
Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Zytostatika immer weiter verfeinert. Moderne Zytostatika mit dem Kampfmittel Senfgas gleichzusetzen ist Fakten-blind!
Ja, es gibt Zytostatika welche, die auf Stickstoff-Senfgas-Verbindungen basieren, dazu gehören u.a. Cyclophosphamid (Endoxan) und Chlorambucil, aber nicht jedes Chemotherapeutikum wird aus diesen Stoffen gebildet.

Was ist denn überhaupt die Chemotherapie?
Als Chemotherapie wird umgangssprachlich eine medikamentöse Behandlung von diversen Krebserkrankungen bezeichnet. Chemotherapeutische Wirkstoffe werden Zytostatika genannt.
Zytostatika hemmen "die DNA-Synthese durch Kettenabbruch in der Replikation, die Schädigung der DNA durch Brückenbildung zwischen den Strängen und der Stabilisierung von verdrillten DNA-Strukturen oder die Inhibition des Auf- und Abbaus des Tubulussystems der Mitosespindel...... Anzumerken ist, dass alle pharmakologisch eingesetzten Substanzen nur eine geringe Spezifität für Tumorzellen aufweisen und nur proliferierende Zellen hemmen können." beschreibt Carina Dohr. Vereinfacht ausgedrückt verhindern diese Substanzen das Zellwachstum.
Zytostatika sind hochpotente Zellgifte, die ALLE Zellen im Körper beeinträchtigen. Sie wirken NICHT selektiv, das heißt, sie greifen sowohl die Tumorzellen als auch gesunde Zellen an. Zellen mit schnellem Wachstum sollen durch die Zytostatika stärker geschädigt werden als langsamer wachsende. Zu den schnell wachsenden Zellen gehören Tumor-, Haarwurzel-, Schleimhaut und Knochenmarkzellen. Mit diesem Wissen dürfte klar sein, warum manche Krebspatienten ihre Haare verlieren, an Leukämie erkranken, ihre Verdauung nicht mehr richtig funktioniert und viele von ihnen durch die Heil-versprechende Behandlung selbst geschwächt werden.
Tumorzellen teilen (vermehren) sich rasant und verfügen zeitgleich über geringere Reparaturkapazität als gesunde Zellen. Das macht die Krebszellen etwas angreifbarer. Der grundlegende Gedanke der Chemotherapie ist also jegliches Zellwachstum einzuschränken in der Hoffnung der Tumor stirbt zuerst und der Patient habe genug Kraft die Behandlung überleben.
Zytostatika
Es gibt nicht DIE EINE Chemotherapie. Heutzutage werden etliche verschiedene Zytostatika eingesetzt und nur sehr wenige haben überhaupt etwas mit Senfgas zu tun. Zytostatika werden oral eingenommen, topisch aufgetragen oder per Infusion verabreicht. In der Chemotherapie sind folgende Substanzgruppen zu finden (die Auflistung der Wirkstoffe, Handelsnamen und Nebenwirkungen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):
Pflanzliche Zytostatika
Oft dient die Natur als Vorbild, wenn Pharmakologen neue Medikamente herstellen. So gibt es eine Reihe Zytostatika, welche auf ursprünglich pflanzlichen Zellgiften basieren. Heutzutage stammen sie in der Regel jedoch aus (semi-)synthetischer Herstellung. Zu diesen Substanzen gehören die Vincaalkaloide. Diese Alkaloide verhindern, dass sich bei der Zellteilung der Spindelapparat funktionsfähig aufbaut. Das Madagaskar-Immergrün (Catharanthus roseus) dient als Vorlage für die Zytostatika Vinblastin, Vincristin, Vindesin, Vinflunin und Vinorelbin mit dem wirksamen Vincaalkaloid. Weitere Zytostatika dieser Art:
Epipodophyllotoxine des Amerikanischen Maiapfel (Podophyllum peltatum) bilden die Grundlage für Etoposid und Teniposid. Beide werden semi-synthetisch aus der Wurzel des Maiapfels gewonnen.
Camptothecine stammen vom Chinesischen Glücksbaum (Camptotheca acuminata). Topotecan ist ein synthetisches Analogon des Alkaloids Camptothecin, Irinotecan ein halbsynthetisches Derivat des gleichen Ausgangsstoffes.
Zu den Klassikern unter den Chemotherapeutika gehören Taxane wie das Paclitaxe (Taxol). Paclitaxel kann aus der Rinde der eher seltenen Pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) und auch semi-synthetisch aus den Nadeln der Europäischen Eibe (Taxus baccata) gewonnen werden.
Achtung – Nur weil diese Zytostatika einen pflanzlichen Ursprung haben, sind sie nicht harmloser als rein synthetisch/chemische Stoffe! Es sind sehr starke Chemotherapeutika, welche genau das tun, was sie sollen - sie greifen Zellen im menschlichen Organismus an. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören Krämpfe, Verwirrtheit, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, ungewöhnlichen Blutungen etc. Eine Behandlung mit diesen Medikamenten ist NICHT das Gleiche wie eine sanfte Phytotherapie (Therapie mit Pflanzen).
Von Experimenten mit Substanzen dieser Pflanzen oder Pflanzenteilen wird wegen im schlimmsten Fall tödlicher Folgen dringend abgeraten!
Zytotoxische Antibiotika
Die Stoffwechselprodukte mancher Bakterien oder deren synthetische Nachbauten wirken extrem zellschädigend (zytostatisch) und werden daher gezielt gegen Krebs eingesetzt werden. Dazu gehören die Gruppe der Anthrazycline (z.B. Doxorubicin, Idarubicin, Mitoxantron, Epirubicin etc). Anthracycline sind eine Gruppe der Antibiotika, welche aus Bakterien der Gattung Streptomyces isoliert und in der Chemotherapie eingesetzt werden. Actinomycin D (aus Streptomyces parvulus isoliert) und Bleomycin (aus Streptomyces verticillus isoliert) gehören ebenfalls zu den Antibiotika, welche die DNA von Tumorzellen angreift.
Die Kehrseite der Medaille: Ein hoher Konsum bestimmter Antibiotika geht mit einem erhöhten Krebsrisiko einher.
Antimetabolite
Synthetische Substanzen, die den körpereigenen Metaboliten (Stoffwechselprodukten) ähneln, jedoch deren Stoffwechselweg hemmen, werden als Antimetabolite bezeichnet. Sie stören die Enzymfunktion und können die (Tumor-)Zellvermehrung verhindern. Beispiele für diese "Chemo-Gruppe" sind Cladribin, Fluoruaracil, Mercaptopurin und Thioguanin. Wie alle Zytostatika bringen auch sie einige Nebenwirkungen mit sich - unter anderem können sie zu Verengungen der Bronchien, Leukopenie , Verminderung der Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten) und infolgedessen zu Blutgerinnsel, Anämie, Verringerung der normalen Blutbildung (Hämatopoese) im Knochenmark und anderen schweren Störungen der Blutbildung führen.
Alkylantien
Synthetische Substanzen wie Chlormethin (Handelsname Mustargen®), Busulfan (Handelsname: Busilvex®, Myleran®), Treosulfan (Handelsname Trecondi®), Temozomolid (Handelsname Temodal®, Temodar®) etc. alkylieren die DNA und schädigen somit proliferierende Zellen. Verständlicher ausgedrückt: Alkylantien wirken zytotoxisch (zellschädigend) , indem sie Einfluss auf das Erbgut (DNA) der Zellen nehmen und deren Wachstum stören. Auch sie wirken nicht selektiv, d.h. sowohl gesunde als auch Tumorzellen sind betroffen. Zu den Alkylantien gehören:
Stickstoff-Lost-Derivate (Cyclophosphamid, Ifosfamid, Bendamustin, Estramustin, Chlorambucil, Melphalan)
Alkylsulfonate (Busulfan, Treosulfan)
Nitrosoharnstoffe (Carmustin, Lomustin, Nimustin)
Thiotepa, Procarbazin, Dacarbazin und Temozolomid
Platinderivate
Platinderivate wie Carboplatin (Axicarb, Carbomedac, Carboplat oncovis, Carboplatin-GRY, Haemato-carb und Ribocarbo), Cisplatin und Oxaliplatin blockieren durch biochemische Prozesse in der Zelle deren Teilung. Dadurch wird das Absterben der Zelle eingeleitet. Unter allen Zytostatika löst Cisplatin am häufigsten und intensivsten Übelkeit und Erbrechen aus. Erkrankungen der Nieren, des Gehörs sowie Gefäßschäden mit einem erhöhten Risiko von Thrombosen und Thromboembolien gehören zu den Nebenwirkungen der Platinderivate. Am 15.08.2021 veröffentlicht die Pharmazeutische Zeitung: "Nach einer platinhaltigen Chemotherapie ist das Risiko, innerhalb von 20 Jahren eine KHK* zu entwickeln, deutlich erhöht." *Koronare Herzkrankheit (KHK)
Enzymtherapie (PEG-Asparaginase)
PEG-Asparaginase ist ein aus den Bakterien Escherichia coli und Erwinia Chrysanthemi gewonnenes Enzym, welches als Zytostatikum eingesetzt wird. Manche Krebszellen sind nicht in der Lage, ausreichend eigenes Asparagin herstellen. Jedoch sind sie auf diese nicht-essentielle Aminosäure angewiesen. Wird dem Krebskranken Asparaginase verabreicht, so baut diese das Asparagin im Blut ab und den Krebszellen wird ein wichtiger Baustein vorenthalten. Die Zellen können sich nicht mehr vermehren und der Tumor kann schrumpfen. Neben allergischen Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock, Gerinnungsstörungen, Thrombose und Leberfunktionsstörungen kann PEG-Asparaginase Bauchspeicheldrüsenentzündungen mit Blutungen und Todesfolge verursachen.
Ist Tamoxifen auch Chemotherapie? Nein, Tamoxifen ist ein Selektiver-Estrogen-Rezeptor-Modulator. Man bezeichnet die Therapie mit solchen Aromatasehemmstoffen auch als endokrine Therapie (keine "Chemo", weil anderer Wirkungsweg!). Hier kann von einer Anti-Hormonbehandlung gesprochen werden.
Auch Dexamethason, Prednison, Prednisolon und Methylprednison gehören nicht zu den Chemotherapeutika, aber sie werden häufig während der Chemotherapie verwendet. Die genannten Medikamente gehören zu den Kortikosteroide und wirken entzündungshemmend, antiallergisch, abschwellend und unterdrücken das Immunsystem. Sie werden gegeben, um die "Chemo" erträglicher zu machen oder bestimmte Symptome zu lindern.
Ist die Chemo also doch ein Lebensretter?
Zytostatika greifen ALLE, auch die gesunden, Zellen an. Es wird gehofft, dass der Patient stark genug ist, um diesen Angriff auf den Organismus zu überleben. Inzwischen stellen auch immer mehr Ärzte diesen Behandlungsweg infrage.

Tatsache ist, dass sich die Überlebenschancen von Krebspatienten sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verbessert haben. Der Krebsinformationsdienst schreibt: "Vor 1980 starben mehr als zwei Drittel aller Krebs-patienten an ihrer Krebserkrankung. Heute kann mehr als die Hälfte auf dauerhafte Heilung hoffen."
2020 starben geschätzt 9,96 Millionen Menschen an Krebs.
2019 wurden 502.655 Neuerkrankungen an Krebs diagnostiziert.
2019 starben 230.242 Menschen in Deutschland an Krebs oder dessen Folgen.
Jedes Jahr wird in Deutschland bei etwa 500.000 Menschen eine Krebserkrankung diagnostiziert.
Bei den Frauen tritt Brustkrebs am häufigsten auf (30% aller Krebsdiagnosen), bei den Männern ist es mit 24,6% Prostatakrebs.
Männer sterben am häufigsten an Lungenkrebs, Frauen an Brustkrebs.
DIE BEHANDLUNG SELBST KANN KRANK MACHEN
Individuelle Faktoren (z.B. Genetik, weitere Erkrankungen, aktuelle Stabilität, Alter uvm), das Stadium der Erkrankung, die Krebsart sowie die Art der Therapie, Dauer, Dosis der Zytostatika und Erholungsphasen
entscheiden über die Verträglichkeit der Chemotherapie. Die einzelnen Nebenwirkungen können von mild bis tödlich verlaufen – oder sogar ganz ausbleiben. Manche hören nach der Chemotherapie auf, andere halten an und manche sind irreversibel. Bekannte Nebenwirkungen sind:
Übelkeit und Erbrechen
Durchfall
Appetitlosigkeit
Brain Fogg
Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue Syndrom)
Haarausfall
Trockene Schleimhäute
Schleimhautentzündungen
Hautauschläge und Rötungen
Schädigung und Funktionsstörungen der Nieren
Schädigung und Funktionsstörungen des Gehörs
Schädigung und Funktionsstörungen des Gehirn
Schädigung und Funktionsstörungen der Nerven
Schädigung und Funktionsstörungen der Leber
Schädigung und Funktionsstörungen des Herzens
Schädigungund Funktionsstörungen der Lunge
Zerstörung der Fruchtbarkeit (Zeugungsfähigkeit durch Funktionsstörungen der Hoden oder Eierstöcke)
Schädigung des Knochenmarks
Veränderungen des Blutbildes
Blutarmut (Anämie)
Erhöhtes Blutungsrisiko
Erhöhte Infektanfälligkeit (geschwächtes Immunsystem)
Fieber
Pilzerkrankungen (Mykosen)
Weitere Krebserkrankungen
Veränderungen des Blutbildes gelten als besonders problematisch. Hier folgt die Erklärung, warum dies so ist:
Zytostatika hemmen die Bildung von Abwehrzellen wie Leukozyten und Lymphozyten. Dadurch kann der Körper sich weniger oder gar nicht mehr gegen die Krebszellen und andere Krankheiten wehren. Auch Infektionen und Mykosen werden so begünstigt.
Zytostatika beeinträchtigen die Thrombozyten (Blutplättchen) negativ. Dadurch wird die Blutgerinnung gestört und es kann zu Blutungen in Magen, Darm, Nieren und der Haut kommen. Bei Verletzungen besteht eine erhöhte Gefahr zu verbluten.
Zytostatika verringern die Anzahl der Erythrozyten (rote Blutkörperchen). Erythrozyten transportieren den Sauerstoff innerhalb des Körpers. Ist dieser Transport gestört, können Erschöpfung und Atemnot eintreten.
Sterben Menschen an der Chemotherapie?
Zytostatika sind karzinogen, das bedeutet, sie selbst können Krebs auslösen. Vor allem jüngere Menschen sollte diese Information gegeben werden. Unterzieht sich eine 60-jährige Person einer Chemotherapie, wird diese wegen der natürlichen Lebenserwartung wohl eher nicht davon betroffen sein, als jemand, der noch mit 30, 40 weiteren Lebensjahren rechnen kann. Bei jüngeren Menschen hat ein durch die Chemotherapie induzierter Krebs einfach mehr Zeit, sich zu entwickeln.
Tatsächlich wird die Chemotherapie immer häufiger auf Basis neuerer Tierexperimente und ausbleibender Erfolge bei einigen Krebsarten infrage gestellt. Dr. med. Sophie Christoph schreibt in einem Fachmagazin für Ärzte: "Viele onkologische Patienten versterben nicht am Tumor selbst." Auswertungen ergaben, dass 40 % der Patienten an kardiovaskulären (das Herz betreffende) Erkrankungen sterben und nicht am Primärtumor. Sekundärmalignome ("Folgekrebs" der nach Ende der Behandlung auftritt), Therapiekomplikationen und andere Diagnosen gelten inzwischen als Haupttodesursache bei Krebspatienten. Dr. Christoph erklärt, "Prostata- und Mammakarzinom-Patienten haben das höchste Risiko, an einer nicht tumorbedingten Ursache zu versterben."
Impuls: Nicht nur Krebspatienten stehen den Risiken der Zellgifte gegenüber, sondern auch Ärzte, Krankenschwestern, Pharmazeutiker (siehe Krebsrisiko durch den beruflichen Umgang mit Zytostatika), wenn sie mit Zytostatika arbeiten. Ihr Krebsrisiko ist besonders hoch. Sie erkranken oft an Leukämie, Brust-, Schilddrüse, Nervensystem und Gehirn. Letztendlich sind wir alle, auch ohne direkten Kontakt mit den Substanzen, gefährdet (siehe Umweltrisikobewertung von Zytostatika).
"Chemo schadet eher"
Dr. Christine Starostzik schreibt in einem Artikel der Ärztezeitung :
"Bei Krebskranken im Endstadium sollte auf eine Chemotherapie verzichtet werden, finden US-Onkologen. Ihre Studie hat ergeben: Die Chemo schadet dieser Personengruppe mehr als dass sie nützt."
Ihre Aussage stützt sich auf eine Studie von Dr. Holly Prigerson und Kollgen (New York Presbyterian Hospital). Vor allem der physische Zustand der Patienten verschlechterte sich durch die Chemotherapie drastisch. Auf das Sterberisiko dieser Patienten hatte die Chemotherapie keinen erkennbaren Einfluss. Weil weiterhin Palliativpatienten Zytostatika verabreicht werden, wird die Fragen laut, ob diese Vorgehensweise überhaupt Sinn macht. "Denn gerade diejenigen, die körperlich noch am fittesten seien, erlitten durch die Chemotherapie den stärksten Einbruch ihrer Lebensqualität. (...) Insgesamt scheine eine Chemotherapie Patienten mit metastasierenden Karzinomen im Endstadium eher zu schaden als zu nützen.", schreibt Dr. Starostzik.
Überlebensraten
Durch die verbesserte medizinische Versorgung, lebt heute mehr als die Hälfte aller Betroffenen noch fünf Jahre nach der Diagnose Krebs. Selbst im fortgeschrittenen Stadium überleben Menschen mit Krebs deshalb heute deutlich länger als noch vor 50 Jahren. Das Bundesministerium für Gesundheit schreibt: "Über alle Krebsarten betrachtet, beträgt laut Robert Koch-Institut die absolute 5-Jahres-Überlebensrate derzeit 50 Prozent bei Männern und 58 Prozent bei Frauen. Experten-Schätzungen zufolge leben hierzulande aktuell etwa 4,5 Millionen Menschen mit oder nach Krebs."
Leider gibt es auch solche Krebsarten, die besonders schwierig zu behandeln sind und wenig Hoffnung auf Heilung bieten. Lungen-, Leber- und Pankreaskarzinome sowie Glibastome bieten weiterhin nur sehr geringe Überlebenschancen.
Exkurs: Tumorstammzellen und die gefürchteten Rückfälle
Prof. Dr. Ingrid Herr, Leiterin der Sektion Chirurgische Forschung an der Universität Heidelberg erklärt, dass Tumorstammzellen eine herkömmliche Chemo- und Strahlentherapie überleben. Genau durch diese Zellen entstehen Metastasen und Rezidive. "Normale" Tumorzellen sterben durch die Behandlung ab und dies wird als Verkleinerung des Tumors messbar wahrgenommen.. Gerade durch wiederholte Chemotherapien werden Tumorstammzellen angehäuft und werden häufig nach mehreren Behandlungszyklen resistent.
Gut zu wissen
#1 Welche Zytostatika gegeben werden, welche Dosierung und wie oft die Gabe erfolgt, wird auf Basis der Krebsart nach standardisierten Verfahren entschieden. Allgemein gilt "so früh wie möglich und so hart wie möglich behandeln", denn man geht davon aus, dass eine zu lasche Chemotherapie besonders starken Tumorzellen die Möglichkeit gibt, sich durchzusetzen und weiterzuwachsen. Dadurch entstehen Tumore, die auf eine weitere Behandlung dieser Art nicht mehr ansprechen.
#2 Manchmal ist eine bestimmte Behandlung unbrauchbar im Sinne von völlig nutz- und chancenlos. So wissen wir heute, dass Tamoxifen bei manchen Brustkrebspatientinnen wirkungslos ist. Dies hängt mit dem körpereigenen Enzym CYP2D6 zusammen. Durch einen spezifischen Test können Frauen noch vor der nebenwirkungsreichen Behandlung feststellen, ob Tamoxifen bei ihnen überhaupt wirken kann.
#3 Bevor der Körper mit Zytostatika belastet wird, kann ein CTR-Test durchgeführt werden. Dieser Test hilft unwirksame Chemotherapeutika bzw. Resistenzen vor Therapiebeginn zu identifizieren. Dazu benötigt wird eine Probe des Tumorgewebes. Die Kosten für die Standardversion des CTR-Tests belaufen sich auf circa 2000 €. Geprüft werben dabei mehrere Chemotherapeutika. Solche Tests sparen Behandlungs-
kosten und wertvolle Zeit. Vor allem erspart es Krebspatienten unnötige Leidenswege im Falle von Chemo-Resistenzen oder Unwirksamkeiten!
#4 Chemotherapien wurden seit ihrer Erfindung immer weiter verfeinert. Bei manchen Tumoren ist es heute möglich, das wichtigste Blutgefäß, welches den Tumor versorgt "anzuzapfen" und darüber die Zytostatika ein- und wieder auszuschleusen. Das heißt, die Zytostatika wirken direkt am Tumor und belasten den Rest des Organismus deutlich weniger. Diese Behandlung zählt zu den lokalen Chemotherapien.
Lokale Chemotherapie
Bei der lokalen Chemotherapie werden die Zytostatika in unmittelbarer Nähe des Tumors verabreicht. Regional begrenzte Tumoren können dadurch durch eine höhere Konzentration der Medikamente behandelt werden. Die große Hoffnung dieser Behandlung liegt darin, dass der Tumor verstärkt angegriffen wird und die Nebenwirkungen wegen der geringeren systemischen Belastung geringer ausfallen sollen. Diese Möglichkeiten gibt es:
#1 Arterielle Infusion über Angiokatheter (ein Katheter wird durch die Arterie des Oberschenkels bis zum Tumor geschoben)
#2 Arterielle Infusion über Portkatheter (ein Katheter wird direkt in das Blutgefäß, welches den Tumor versorgt, implantiert)
#3 Chemoembolisation (Mikropartikeln blockieren feinste Blutgefäße und das Zytostatikum wird im Tumorbereich gehalten)
#4 Isolierte Perfusion (ein Organ wird vom Blutkreislauf isoliert und über eine externe Pumpe mit Zytostatika versorgt)
Menschen mit systemischen Erkrankungen oder vielen Metastasen werden auf diese Weise nicht behandelt.
Abschließend
Dieser Artikel leistet einen rein informativen, allgemeinen Beitrag, um Krebsbetroffene und ihre Angehörigen zu ermutigen sich detailliert zu informieren und ihren Ärzten Fragen zu stellen, um die bestmögliche Behandlungfür die individuelle Situation zu finden. Ob dies die Chemotherapie oder eine andere ist, vermag dieser Artikel nicht zu beantworten. Die Chemotherapie wird mmer häufiger hinterfragt, jedoch auch immer weiter verbessert.
Leider wird noch immer zu wenig über die anderen Behandlungsmöglichkeiten gesprochen, oder sie werden sogar abfällig bewertet und leider meist auch nicht von den Krankenkassen getragen. Fakt ist, dass verschiedene Ärzte auch andere Therapien anbieten.
Niemand kann Heilversprechen geben - ganz gleich, ob Chemotherapie, Bestrahlung oder Alternativverfahren. Manche Menschen schaffen es mit Zytostatika ihren Krebs zu besiegen, andere sterben am Krebs oder den Folgen der Chemo. Gesundheit ist stets individuell und zum Glück steht es jedem frei zu entscheiden, wie er behandelt werden möchte.
PS Wenn du magst, schau dir unsere Mini-Info-Serie "Was während und nach der Chemo hilft" an, um Tipps zu bekommen, wie du dich während dieser anstrengeden Behandlung stärken kannst. Die Infos sind auch für jene Krebspatienten anwendbar, die keine Chemo durchführen lassen.
Hinweis
In keinem Fall ist dieser Artikel ein Ersatz für die Diagnose und Behandlung durch einen Arzt und kann auch nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung herangezogen werden. Der Artikel ist auch keine Aufforderung eine bestimmte Therapie zu beginnen, zu unterbrechen oder abzubrechen. Wende dich im Krankheitsfall an einen Arzt und lass dich umfassend informieren. Es ist dein Recht Fragen zu stellen und Ärzte sind verpflichtet Auskunft zu geben.
Quellen
https://www.muenchen-klinik.de/aerzte/internisten/onkologen/chemotherapie-krebs-tumor/
Zytostatika-Belastung des klinischen Personals durch stationäre Krebspatienten, 2019, Michael Koller
http://redpoll.pharmacy.ualberta.ca/drugbank/cgi-bin/getCard.cgi?CARD=BTD00011.txt
http://www.med.uni-marburg.de/stpg/fb20/lbinst/amidohydrolases/mueller_g.html
https://www.mayo.edu/research/clinical-trials/tests-procedures/chemotherapy
Regionale Chemotherapie. https://www.ukgm.de/ugm_2/deu/umr_rdi/37330.html
Muchmore JH & Wanebo HJ. Regional Chemotherapy: Overview. Surg Oncol Clin N Am. 2008. 17(4):709-730.
Regionale Chemotherapie. https://www.medias-klinikum.de/home/f%C3%BCr-%C3%A4rzte/regionale-chemotherapie/.
Transarterielle Perfusion. https://www.primomedico.com/de/behandlung/transarterielle-chemoperfusion-tacp/.
weitere Quellen wurden bereits im Text selbst verlinkt