Krebs ist auch im 21. Jahrhundert noch immer eine schreckliche Diagnose. Seit Jahrzehnten geben Wissenschaftler, Ärzte und Pharmakologen ihr Bestes, um diese Krankheit zu bekämpfen. Eine garantierte Heilung gibt es jedoch bis heute nicht. Um unsere kleine Serie über das Thema Krebs abzuschließen, geben wir dir heute grundlegende Informationen, was der Ayurveda für Krebspatienten leisten kann.
Krebs aus ayurvedischer Sicht
In den bedeutenden ayurvedischen Schriften Charaka Samhita und Sushruta Samhita wird Krebs als
entzündliche oder nicht entzündliche Schwellung beschrieben. Das Nervensystem (Vata ), das Venensystem (Pitta ) und das Arteriensystem (Kapha) sind wichtig für die gesunde Funktion des Organismus. Bei bösartigen Tumoren geraten alle drei Systeme (Vata, Pitta und Kapha) außer Kontrolle . Dadurch entsteht eine übergroße Stoffwechselkrise, die zu einer tragischen Proliferation (Vermehrung von Zellen) führt. Unterschieden wird zwischen "Granthi" (geringfügige Neubildung) oder "Arbuda" (schwerwiegende Neubildung). Arbuda bezeichnet jedoch nicht den malignen (bösartigen) Tumor selbst, sondern eine Anhäufung verschiedenster Symptome. Der Tumor ist nicht die Erkrankung, sondern eines der Symptome.

Ayurveda und "Schulmedizin"
Chemotherapie
Die Behandlung mit Zytostatika ("Chemotherapie") ist -grob zusammengefasst- eine gezielte Vergiftung des Organismus, mit der Hoffnung, dass die Tumorzellen absterben und der Patient stark genug ist, um die Behandlung zu überleben. Vor allem die teils schweren Nebenwirkungen überfordern viele Krebsbetroffene: Haarausfall, Erbrechen, Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit und vieles mehr. Die Chemo unterdrückt das Immunsystem und die Patienten werden anfälliger für verschiedenste Infektionen. Um die harte Behandlung besser verträglich zu machen und die Nebenwirkungen abzumildern, können ayurvedische Abkochungen, Pulver und mediziniertes Ghee eingesetzt werden.
Strahlentherapie
Schmerzen, Rötung und Verbrennung sind häufige Nebenwirkungen der Strahlentherapie. Schon während der Bestrahlung kann kühlende Sandelholzpaste auf die betroffenen Körperstellen aufgetragen werden. Lepa (Wickel) und Pitta reduzierende Öle wie Chandana Tailam können die Hitze im Körper reduzieren. Auch nach der Strahlentherapie können die Einreibungen und Lepa fortgesetzt werden. Ein lokaler Takradhara (kühlender Guss mit Buttermilch und kühlendem Churna (Pflanzenpulver)) sowie eine Ausleitung über den Darm (Virechena) können dem Körper helfen sich von der Strahlenbelastung zu erholen.
Operation
Tumorgewebe wird häufig operativ entfernt. Um sich von dem Eingriff zu erholen, können ayurvedische Maßnahmen sehr gut eingesetzt werden. Einreibungen und Lepa (Wickel) können die Wundheilung fördern. Auch den Folgen der Narkose kann wirksam mit Ayurveda begegnet werden. Schlaf- und Verdauungsstörungen, Ängste und chronische Erschöpfung sind nicht selten nach der OP zu beobachten. Ayurvedische Maßnahmen können solch postoperative Störungen lindern. Vor allem Rasayana (Verjüngung) kann die Organ- und Gewebefunktionen wieder ins Gleichgewicht bringen.
KEIN Panchakarma
Obwohl immer wieder diverse Heilpraktiker Panchakarma ("die große Reinigung") im Rahmen der komplementären Krebsbehandlung anpreisen, sprechen die Vaidyas (Ayurveda-Ärzte) Gegenteiliges aus. Die Vaidyas sind sich einig, dass Panchakarma unmittelbar nach Abschluss Krebsbehandlung in den meisten Fällen nicht ratsam ist. Nach der Chemotherapie oder Bestrahlung sind Sharira Balam (körperliche Stärke) und Satva Balam (mentale Stärke) gering. Krebspatienten müssen daher zuerst wieder zu Kräften kommen , bevor sie große Reiniungskuren anwenden.
Die Vaidyas sind sich auch einig, dass die Zytostatika ist der Körper stark mit Giften (Ama) belastet. Shodana (z.B. Panchakarma) ist hier kontraindiziert und würde die Gifte in noch tiefere Gewebe drücken.
Um auf Strahlen- oder Chemotherapie basierendes Ama aus dem Körper auszuleiten, greifen Ayurveda-Ärzte daher zuerst zu Shamana-Protokollen, um die Gifte zu neutralisieren. Erst circa drei bis sechs Monate danach werden die reinigenden Shodhana Maßnahmen eingesetzt. Wann der richtige Zeitpunkt ist, hängt unter anderem von der individuellen Prakriti (gesunder Urzustand) ab. Kapha-Menschen entgiften in der Regel rasch, während Pitta-Typen mehr Zeit und Vata-Personen noch viel mehr Zeit benötigen.
Was kann der Ayurveda sonst noch leisten?
Der Ayurveda bietet hier in den westlichen Ländern vorrangig komplementäre Verfahren, Prävention und Nachsorge im Rahmen einer Krebserkrankung an, obwohl viele weitere Methoden zur Verfügung stehen. Da Ayurveda in Deutschland jedoch überwiegend von Heilpraktikern und nicht wie in Indien von Ärzten mit Ayurveda-Studium angeboten wird, sind hierzulande leider nicht alle Maßnahmen möglich.
Heilsame Ernährung
Im Ayurveda wird durch den gezielten Einsatz von Nahrungsmitteln und Kräuterkombinationen eine solide Grundlage für die Gesundheit geschaffen. Selbstredend kann in diesem kleinen Abschnitt keine Ernährungsberatung geleistet werden. Wie bei allen ayurvedischen Maßnahmen gilt: Die Individualität eines Menschen und seine Situation sind genau zu analysieren, bevor festgelegt wird, was für ihn passend ist.
Psychoonkologie
Der Ayurveda kennt schon seit Jahrhunderten psychiatrische Behandlungen (Bhut Vidya). Bhut Vidya kann Menschen auch während einer Krebserkrankung begleiten. Selbstredend sieht die ayurvedische Psychiatrie etwas anders aus als die westliche. Ayurvedische Psychiatrie stärkt das Vertrauen in den eigenen Körper und die Emotionen, hilft Ängste zu überwinden und neue Perspektiven zuzulassen.
Chirurgie
Obwohl ayurvedische Ärzte schon vor über 2000 Jahren Operationen durchgeführt haben, nimmt die Chirurgie (Shalya Tantra) nur eine untergeordnete Rolle in der ayurvedischen Krebsbehandlung ein. Die Entfernung eines Tumors ist jedoch häufig erforderlich und wurde und wird auch im Ayurveda als notwendige Behandlung verstanden.
In der Onkologie möchte der Ayurveda ...
Dhatu Agni (Stoffwechsel auf Gewebsebene) verbessern
Ama beseitigen (Pachana)
Verkleinerung des Tumorsbewirken (Lekahana)
Mentale und körperliche Stärke aufbauen (Rasayana)
Rezidive, Sekundärtumore und Metastasen verhindern
Im Ayurveda wird vor allem mit natürlichen Heilmitteln die Bildung von Tumoren verhindert, aber auch komplementär behandelt. Ayurvedische Rezepturen bestehen aus mehreren Kräutern, die ein großes Potenzial zur Krebsheilung besitzen. Wissenschaftlich gesehen wirken diese Rezepturen auf mehreren biochemischen Wegen und beeinflussen insgesamt verschiedene Organsysteme. Vorrangig unterstützen sie die körpereigenen Abwehrsysteme. Allgemeine Empfehlungen, welche Pflanze, welches Pulver und welche Anwendung die richtige ist, können an dieser Stelle nicht gegeben werden. Der Ayurveda betrachtet jeden Menschen stets in seiner Individualität und alle Maßnahmen werden exakt darauf abgestimmt. Diese orientieren sich an der persönlichen Konstitution, der Krebsart, den Doshas und dem betroffenem Dhatu (Gewebe).
Welche Pflanzen verwendet der Ayurveda bei Krebs?
Aus Pflanzen werden im Ayurveda Öle, Lepa (Wickel), Churna (Pulver), Abkochungen und andere Zubereitungen hergestellt. Auch in der Ernährung spielen sie eine wichtige Rolle. Jedes Kraut enthält verschiedene Wirkstoffe, die meistens synergetisch wirken und das Risiko von Nebenwirkungen verringern. Zur komplementären Krebsbehandlung werden unter anderem diese Pflanzen verwendet:
Andrographis paniculata (Kalmegh)
Annona atemoya (Kreuzung aus Cherimoya und Süßsack)
Phyllanthus niruri (Chanca Piedra / Steinbrecher)
Piper longum (Langer Pfeffer)
Podophyllum hexandrum (Himalaya Maiapfel / Fußapfel)
Tinospora cordifolia (Gudchi)
Semecarpus anacardium (Markfruchtbaum)
Vitis vinifera (Weinrebe)
Baliospermum montanum (Hastidanti)
Madhuca indica (Mahwa / Butterbaum)
Pandanus odoratissimum (Pandanus)
Pterospermum acerifolium (Bayur Baum / Karnikara)
Raphanus sativus (Gartenrettich)
Barleria prionitis (Stachelschweinblume)
Prosopis ciner Arie (Khejribaum)
Amorphopallus campanulatus (Teufelszunge / Titanwurz)
Oxoxylum indicum (Indischer Trompetenbaum)
Basella rubra (Indischer Spinat)
Flacourtia romantchi (Ramontchi / Madagaskar Pflaume)
Moringa oleifera (Moringa / Meerrettichbaum)
Ficus bengalensis (Banyanbaum)
Curcuma Domestica (Kurkuma)
Allium sativum (Knoblauch)
Calotropis gigantean (Kronenbaum)
Datura metel (Indischer Stechapfel)
Hygrophila spinosa (Kokilaksha / Gokulakanta)
Juniperus indica (Schwarze Wacholder)
Nigella sativa (Echter Schwarzkümmel)
Picrorrhiza kurroa (Katuka)
Rubia cordifolia (Manjistha/Indischer Krapp)
Von einer Selbstmedikation wird dringend abgeraten, denn manche dieser Pflanzen sind giftig, andere können Wechselwirkung mit anderen Medikamenten eingehen. Außerdem ist nicht jede Pflanze für jeden Menschen geeignet. Daher muss immer ein Ayurvedakundiger hinzugezogen werden.
Gut zu wissen: Heutzutage werden viele traditionelle Heilpflanzen wissenschaftlich untersucht, um u.a. ihr krebshemmendes Potenzial zu verstehen. Wusstest du, dass nicht nur die Pflanzen selbst sondern auch chemisch veränderte Produkte aus Pflanzen in der Krebstherapie eingesetzt werden?Vinblastin, Vincristin, Etoposid, Teniposid, Taxol, Navelbin, Taxotere, Topotecan und Irinotecan gehören zu den Pflanzenstoffen, die bereits als Krebsmedikamente zugelassen und etabliert sind. Weitere vielversprechende pflanzliche Substanzen sind 10-Hydroxycamptothecin, Monocrotalin, D-Tetrandrin, Lycobetain, Indirubin, Colchicinamid, Curcumol, Curdion, Gossypol und Homoharringtonin.
Nicht nur individuelle Kräuterrezepturen, sondern auch Atemtechniken, Yoga und Meditation
sollten Körper und Geist stärken, um der schweren Krankheit Krebs entgegenzutreten. Ob Yoga oder ein anderes Bewegungskonzept: Bewegung stößt entzündungshemmende Prozesse im Körper an. Ein aktiver Körper schüttet vermehrt Myokine aus - mehr Myokine, desto langsamer wachsen die Tumorzellen.
Metastasen und Rezidive
Wie zu Anfang bereits beschrieben, ist der Tumor ein Symptom und nicht die Krankheit selbst. Wurde die Ursache für dieses drastische Ungleichgewicht nicht behoben, können Metastasen, Rezidiven und Sekundärtumore auftauchen. Um dies zu vermeiden, sind folgende Maßnahmen besonders wichtig:
Vermeidung von krankheitsfördernden Substanzen und Verhaltensweisen (z.B. Rauchen, Alkoholkonsum, Asbest, Acrylamid, Feinstaub, Weichmacher in Plastik etc.)
Fleischkonsum reduzieren oder einstellen
Ausreichend Bewegung
Vermeidung von Umweltgiften
Vermeidung von radioaktiver Strahlungen
Gesundes Maß an UV-Strahlung
Vermeidung bestimmter Lebensmittelzusatzstoffe
Gesundes Körpergewicht halten
Trauma therapeutisch aufarbeiten
Stress reduzieren
Gesunde psychische Selbstregulation
Stärkung des Immunsystems
Eine gesunde, der Konstitution entsprechende Lebensführung und Ernährung
Fazit
Ayurveda kann im Falle einer Krebsbehandlung als ergänzende oder unterstützende Methode eingesetzt werden, um die Lebensqualität des krebskranken Patienten. Um das Potenzial der Anwendung tatsächlich bestens zu nutzen, sollte von Eigenexperimenten abgesehen und ein erfahrener Vaidya zur präzisen Abstimmung aller Maßnahmen konsultiert werden.
Quellen
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